Homeland. Corona. Tour 2020. (German)
20.09.20, Wroclaw
Zurück in Wroclaw. Ziemlich kaputt. Zumindest lädiert. Es strengt gerade an. Aber jeder Gig, jeder Tag eine Belohnung. Schwer zu fassen das ich eben in einem der schönsten Jugendstil Cafés Europas bei einem Glas Wein und einer Zigarette sitzen darf. Art Cafe Kalambur.
Wäre da nicht die ständige, unterschwellige Angst, fast steinerne Angst, doch noch irgendwo, irgendwie den Virus einzufangen oder bereits eingefangen zu haben, macht mich zugegebenermaßen etwas unruhig. Das permanente auf Anzeichen in mich hinein, ja, lauschen. Es ist unheimlich. Und es zehrt.
Die Konzerte sind schon seit Anfang des Jahres intensiver als ich es vorher kannte oder konnte, seit dem Ausbruch und Lockdown, seitdem es wieder langsam, aber immerhin, weitergeht, scheinen sie noch härter am Limit zu fahren. Limit wie in: sehr viel mehr lässt sich auf der Bühne nicht mehr preisgeben.
Überhaupt Fahren. Es ist anstrengender als es mal gewesen ist. Vielleicht ist es die Kombi aus Konzentration auf Verkehr und zugleich auf mögliche Infektions-Anzeichen achten. Das konstante Gefühl vielleicht gerade doch etwas Ungewöhnliches zu spüren. Etwas Beunruhigendes. Oder doch nur Einbildung?
Werde ich in zwei Wochen an irgendeinem Gelee in meinen Atmungsorganen eingehen? Gleichzeitig fühlt es sich wie ein Privileg an, diese Tour so durchziehen können. Für den einen oder anderen da draußen vermutlich ein fragwürdiges Privileg.
22.09.20, Wroclaw
Die Szewska runter, am Piesniarze vorbei, beim Wroclawska auf der Ecke Kotlarska dann links. Da bei dem neuen Zabska Laden. Immer geradeaus dann. Nicht zum Kalambur abbiegen, nicht rauf zum Literatka am Rynek. Einfach geradeaus, kleine links-rechts Kombi und Du bist beim Artzat.
24.09.20, Zilina
Es war gut bei den Fahrrad-Anarchisten in Bratislava. Vielleicht sogar sehr gut. Und wenn nicht alles anders kommt kann ich morgen die Dowina Werkstatt besuchen.
25.09.20, Banska Bystrica
Eine singende Fontäne. Oder eher Brunnen auf dem zentralen Platz mit dem schwarzen Obelisk. Es fühlt sich eigentümlich vertraut an wieder hier zu sein. Nicht viel zu erwarten für heute Abend, laut Dasa und eigener Erfahrung. Das es erstmals nicht der Kult Club ist verstärkt die Aussicht auf einen zumindest nicht völlig desaströsen Abend. Ein schöner Abend wäre mal eine nette Alternative. Dazu, befürchte ich, liebt der Slowake seinen Borovicka aber wohl zu sehr.
Ohne Pandemie hätte ich heute im Proti Proudu, in Karlin, auf Initiative bzw. Einladung von John Bok gespielt. Das Abzusagen hat weh getan.
Einschub:
Sehr streng kann sie schauen, die Banska Bystricianerin, so sie denn die Bedienung eines Cafés ist. Gestern war wohl endgültig der letzte Sommertag 2020. Es hat sich herzzerreißend gut angefühlt in der Abendsonne von Bratislava nach Zilina zu fahren. An den Ausfahrten zu vertrauten Orten vorbei. Alle mit geradezu plastischen Erinnerungen verbunden. Trnava, wo ich letztes Mal einfach meinen Koffer in der Bar überm Archa stehen lassen hab, Trencin und die Coffee Sheep Burg, die Abzweigung nach Topolcani. Was für ein Geburtstag und was für ein Clash T-Shirt damals. Die Umgebung die nach und nach hügeliger, dann bergiger wird. Bewaldet, grün, nur wenige Tage davon entfernt sich in ein explodierendes Farbenmeer aus Braun-, Gelb- und Orangetönen zu verwandeln.
26.09.20, Banska Bystrica
Ein bemerkenswertes Konzert. Vielleicht mein bestes in Bansky Bystrica bisher. Lehrreich auch. Tatra Tee ist tatsächlich noch verheerender als Borovicka.
27.09.20, irgendwo bei Zvolen/SK
Ein Traum von einem Morgen. Irgendwo in der Slowakei auf einem Einöd-Hof an einem steilen Berghang, in einer Umgebung die dem Paradies vermutlich ziemlich nahe kommt. Den gestrigen Abend statt im coronabedingt abgesagten Trnava hier verbracht. Meine Songs gegen Slowakische Folksongs, Ziegenkäse und einen Blick in ein anderes Universum eingetauscht. Miro, Veronika und ihre Söhne Janko & Stefan haben sich, soweit sowas heute überhaupt noch möglich ist, so ziemlich aus dem System ausgeklinkt. Und sie sind keine Spinner. Und sie sind glücklich. Das ist vielleicht das Schönste daran. Seelenverwandte. Sind Abende wie diese die alle möglichen Schattenseiten aufwiegen. Mehr als das.
28.09.20, Uherske Hradiste
Seit der Tour mit Thee Gyrlz 1993 das erste Mal wieder hier. Off-day. Gutes Essen in der Altstadt, dafür ein Hotelzimmer mit extrem laut fickenden Nachbarn. In die nächste Bar geflüchtet wo man mir unaufgefordert erstmal die 54 prozentige Spezialität des Hauses aufnötigt. Es ist richtig Herbst geworden. Regen. Heute nochmal frei in Brno, bevor es morgen dann mit Pavel im U Kouriciho Kralika weitergeht. Der Jazz Club in Brno. Sowas kann ja auch dirchaus mal schiefgehen. Wie der Rest dieser Tour aussieht steht in den Sternen. Mit sehr viel Glück kann ich zumindest die tschechischen Konzerte mit Pavel noch spielen.