MÄKKELÄ

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Fear Is a Man's Best Friend (John Cale) - 07.04.2022 (Deutsch)

Mir sind die Worte abhandengekommen. So fühlt es sich an. Über die letzten Monate hatte ich und habe immer noch verloren, was es braucht auszuformulieren, was gut, was schlecht, was glücklich, was unglücklich ist. Zum Teil vielleicht auch das Interesse verloren. Das überfährt mich seit längerer Zeit in regelmäßigen Abständen. Zu den guten Dingen gehören die drei, vier Songs die in der Zeit entstanden sind, die einen kleinen Notausgang eröffnet haben, um nicht völlig hinzuschmeißen. Zu den nicht so guten, endlose Stunden am Rechner, um Konzerte zu buchen, von denen von vornherein nicht klar war, ob sie denn jemals stattfinden würden. Regelmäßige, erfolglose Versuche zu schreiben, zu üben oder einfach mal rauszugehen um das Verlorene zu finden.

Als ich während dem ersten Lockdown aus meiner Wohnung geworfen wurde, war ich erstmal glücklich eine bezahlbare gefunden zu haben. Da war noch nicht abzusehen, dass dieses Glück sich über die folgenden beiden Jahre in einen Käfig verwandeln würde. Ein Käfig für den ich bezahle, um mich darin zu füttern, darin zu schlafen, von einem Eck ins andere zu laufen, eine Zukunft zu planen, die sich vielleicht ja irgendwann außerhalb davon abspielen würde. Ein Instrument in die Hand zu nehmen, um es dann gleich wieder hinzulegen um irgendetwas anderes anzufangen, von dem ich von vornherein wusste, dass ich es auch sofort wieder aufgeben würde, weil nicht vorstellbar wofür oder für wen das alles.

Anfang 2022 hat es dann beinahe so ausgesehen als ob sich ein Fenster öffnen würde. Als ob die lange vergessene Unbeschwertheit wieder möglich würde. Und dann kam der Krieg. Der mir eine scheiß Angst macht. Angst, weil so etwas einfach nicht vorstellbar war, immer noch nicht ist und ständig präsenter wird. Weil ich zu den glücklichen Generationen gehöre, die ein Leben lang davon völlig verschont geblieben sind. Es ist etwas Eigenartiges mit der Angst. Sie hat sich als schlimmer oder bedrohlicher herausgestellt, je länger ich mich allein im Käfig damit auseinandersetzen musste. Das gefällt ihr, da kann sie zu einem amorphen, ungreifbaren, riesigen Etwas wachsen.

Anfangs so viel das ich nicht sicher war, ob ich überhaupt losfahren würde, um die Konzerte zu spielen, auf die ich hingefiebert hatte, nach denen ich mich gesehnt hatte. Von denen ich geglaubt hatte, sie würden das Verlorene zurückbringen. Haben sie nicht.

Dafür etwas anderes, etwas für mich neues. Bevor die schlimmen Jahre angefangen haben, war es ein Gefühl unbeschwerter Freiheit unterwegs zu sein, um Geschichten weiterzutragen, Abende in Momente zu verwandeln, die für andere eine Bedeutung haben. Eine schöne Bedeutung. Fast ein romantisches Troubadour-Leben.

Es ist anders jetzt, oder es fühlt sich zumindest so an. Ich kann nicht sagen, ob es besser ist oder anders besser, vielleicht ist es aber einfach wichtiger gerade. Seit dem ersten Tourabschnitt mit den Konzerten in Polen, Tschechien, Slowenien und Kroatien fühlt sich jeder Abend an wie ein Sieg gegen die Angst. Ein kleiner Sieg. Für mich, weil sie mir, wenn ich dort bin, in Warschau, Krakau, Kazimierz Dolny, Požega oder wo auch immer, nichts anhaben kann. Für die, die da sind, weil sie mir das Gefühl geben, zusammen lässt sie sich für ein, zwei Stunden vertreiben. Das ist vielleicht das wichtigste. Und es ist ein unfassbares Gefühl, dass es möglich ist, auch wenn nur für begrenzte Zeit. Noch nie zuvor hatte ich das Gefühl bei Konzerten, dass das Zusammensein mit Publikum sich gegenseitig so viel zu verdanken hat und zu so intensiven Momenten wird. Ich bin Euch dankbar. Für das Schiff in Potsdam, für den Abend in Warschau, ja, sogar ein wenig denen, die eben dort nachts mein Auto professionell aufgemacht haben und den Koffer mit allen Kabeln und Pedals mitgenommen haben. Danke das ihr die Amps dagelassen habt. Ohne Euch hätte ich vielleicht nie die Hilfsbereitschaft meiner polnischen Freunde kennengelernt.

Dankbar für die Abende in Kazimierz Dolny, den Poetry-Abend im Cafe Szafe in Krakau, das vielleicht berührendste Konzert in Wroclaw. Für die Energie, die mir das alles gegeben hat um den Auftritt mit Pavel Cingl im Globe in Prag zu etwas ganz Besonderem zu machen. Es hat mich wieder in die Spur gebracht. Hat für die Kraft gesorgt den Weg nach Wien, Ljubljana, Zagreb und Pozega zu schaffen. Jede Station für sich eine ganz besondere. Speziellen Dank an Zoka vom Kulturni Centar Mesnička in Zagreb der mich nach Požega gebracht hat. So etwas habe ich schon länger nicht mehr erlebt. Vielleicht wann anders mehr dazu hier.

Morgen werde ich zu einer gottlosen Zeit ins Allgäu aufbrechen, um dort bei Tinos und Agnes Trauung früh um 10.30 zwei Songs zu spielen. Das hatte ich vergangenes Jahr versprochen und es ist mir wichtig. Manchmal tue ich so Sachen. Von dort dann am Samstag sechs Stunden nach Šemanovice zu Mirka und Martin, zum "Nostalgické Šedesátky"-Festival für einen Auftritt mit Pavel. Sollte ich tatsächlich 60 werden, darf mir gerne jemand auch ein 3-tägiges Festival mit vierzig Acts organisieren. Kultivierter Wahnsinn. So gefällt mir das.

Bis bald.

M.

At Cafe Szafe, Krakow/PL. Photo by Michal Deszert, Krakow